Was bedeutet das AGV-Engagement für die Beteiligten? In Interviews berichten Klient*innen, Mitarbeitende, Staatsanwält*innen und Partner über ihre Erfahrungen. Diese persönlichen Geschichten geben Einblick in die Wirksamkeit und Menschlichkeit der täglichen Arbeit.
Klientin – Einsatz in Kleiderkammer
Was halten Sie von der Möglichkeit, durch gemeinnützige Arbeit Haft zu vermeiden?
Finde ich sehr gut. Ich kann die Geldstrafe nicht zahlen und hätte es nicht ertragen, dafür eingesperrt zu sein. Das hätte mich auch nach der Haft noch sehr lange Zeit verfolgt.
Ich komme in einen geregelten Alltag mit einer täglichen Arbeit, dass hilft mir für die Zeit nach meinen Sozialstunden wenn ich wieder „richtig“ arbeiten gehe möchte.
Wie finden Sie die Einsatzstelle bei der Sie waren?
Es arbeiten dort sehr freundliche Menschen und ich fühle mich gut aufgenommen und gemocht. Nur das frühe Aufstehen fällt mir schwer, aber das schaffe ich jetzt gut.
Gibt es Positives, was Sie mit der Arbeit verbinden und/oder ein besonderes Erlebnis?
Ich werde von einem Besucher als Lieblingsmensch bezeichnet und habe interessante Begegnungen mit Menschen, mit denen ich nie etwas zu tun hatte. Ich habe obdachlose Menschen nie richtig wahrgenommen. Traurig werde ich, wenn ich junge Obdachlose kennenlerne. Ein Kollege sagte, die Arbeit geht nicht spurlos an einem vorbei, das ist auch so. Und trotzdem ist es schön etwas für andere zu tun, dass hätte ich nicht gedacht.
Möchten Sie sonst noch etwas zur gemeinnützigen Arbeit oder Einsatzstelle sagen?
Es ist gut, dass es Stellen gibt, die Hilfe anbieten wie Essen, Kleidung, ärztliche Versorgung und dergleichen. Ich habe viel über das Hilfesystem in München gelernt und viele Erfahrungen gesammelt.
Klientin – Einsatz im Seniorenwohnheim/Wäscherei
Was halten Sie von der Möglichkeit, durch gemeinnützige Arbeit Haft zu vermeiden?
Ich finde es eine gute Möglichkeit, dass ich die Stunden abarbeiten konnte, da ich wenig Geld habe.
Wie fanden Sie die Einsatzstelle bei der Sie waren?
Ich fand die Arbeit gut, ich hatte nette Kollegen und eine gute Anleitung.
Meine Aufgaben waren Wäsche falten und große Teile mit der Mangel zu bügeln.
Manchmal habe ich auch Wäsche sortiert und gewaschen.
Gibt es Positives, was Sie mit der Arbeit verbinden und/oder ein besonderes Erlebnis?
Es war für mich eine gute Ablenkung. Durch die Arbeit konnte/musste ich nicht ständig über andere Dinge nachdenken.
Ich habe auch Dinge für mein privates Leben gelernt, z.B. die Wäsche besser zu organisieren und schöner zusammenzulegen.
Möchten Sie sonst noch etwas zur gemeinnützigen Arbeit oder Einsatzstelle sagen?
Die flexiblen Arbeitszeiten in der Einsatzstelle waren super. So konnte ich, wenn ich z.B. einen Termin hatte, später beginnen oder früher gehen. Das war für mich als Mutter von zwei Kindern sehr positiv.
Klient*in – Einsatz im Sozialkaufhaus
Was halten Sie von der Möglichkeit, durch gemeinnützige Arbeit Haft zu vermeiden?
Diese Möglichkeit ist meiner Meinung nach perfekt für Leute, die Geldstrafen nicht zahlen können. Somit eine sehr gute Lösung!
Wie fanden Sie die Einsatzstelle bei der Sie waren?
Meine Einsatzstelle war gut. Ich war im Sozialkaufhaus und es hat mir dort gefallen.
Gibt es Positives, was Sie mit der Arbeit verbinden und/oder ein besonderes Erlebnis?
Positiv waren die Arbeitskollegen. Es waren nicht einfach nur Arbeitskollegen, sondern es herrschte eine richtige Harmonie im Team.
Klient*in
Was halten Sie von der Möglichkeit, durch gemeinnützige Arbeit Haft zu vermeiden?
Diese Möglichkeit ist gut und super!
Wie fanden Sie die Einsatzstelle bei der Sie waren?
Meine Einsatzstelle war gut, aber der Weg dorthin mit den öffentlichen Verkehrsmitteln war für mich aufgrund meiner Gehbehinderung nicht immer so leicht. Letztendlich hat es mir aber so gut gefallen, dass ich dort angefragt habe, ob ich weiter beschäftigt werden kann.
Möchten Sie sonst noch etwas zur gemeinnützigen Arbeit oder Einsatzstelle sagen?
Ich bedanke mich für die Möglichkeit, meine Strafe abzuarbeiten und gleichzeitig nette Leute kennengelernt zu haben.
Klient*in
Was halten Sie von der Möglichkeit, durch gemeinnützige Arbeit Haft zu vermeiden?
Ich finde, das ist eine super Idee und es ist für jeden von Vorteil. Ich weiß, wie es ist, wenn man aus dem Gefängnis entlassen wird. Da fängt das Gefängnis eigentlich erst an, wenn man seine Wohnung verloren hat. Als ich das erste und letzte Mal im Knast war, hat mir das Jahre nachgezogen, bis ich mich wieder richtig gefangen habe und im Leben stand. Das hat wirklich lange gedauert. Und deswegen finde ich das eine wunderbare, super Idee für Leute, die wirklich ins Leben wieder zurückkommen wollen oder im Leben bleiben wollen.
Wie fanden Sie die Einsatzstelle bei der Sie waren?
Die Einsatzstelle ist auch gut. Ich habe dort schon öfter abgeleistet und es ist immer gut. Es harmoniert, es sind Gleichgesinnte unter sich, die sich zusammenreißen müssen und miteinander auskommen müssen und das funktioniert eigentlich wunderbar. Es gibt nichts Negatives zu sagen.
Gibt es Positives, was Sie mit der Arbeit verbinden und/oder ein besonderes Erlebnis?
Ich habe in der Einsatzstelle viele Leute wieder getroffen, die ich Jahrelang nicht mehr gesehen habe.
Möchten Sie sonst noch etwas zur gemeinnützigen Arbeit oder Einsatzstelle sagen?
Es passt alles. Natürlich könnte man immer etwas verbessern; ich glaube das ist überall der Fall. Aber ich hätte diesbezüglich auch nichts zu sagen, weil es auch gut organisiert ist und alle zufrieden sind: wir, die Einsatzstelle und die Kundschaft sind zufrieden und glücklich. Jedem ist geholfen!
Klient*in
Was halten Sie von der Möglichkeit, durch gemeinnützige Arbeit Haft zu vermeiden?
Ich finde das sehr gut. Ich denke, das lässt die Leute auch über sich selbst nachdenken und über ihre Tat. Ich finde es super, dass es so etwas gibt.
Wie fanden Sie die Einsatzstelle bei der Sie waren?
Es waren sehr nette Leute. Alle waren offen – eine wirklich schöne und angenehme Arbeit.
Gibt es Positives, was Sie mit der Arbeit verbinden und/oder ein besonderes Erlebnis?
Der Arbeitseinweiser und die Leute vor Ort waren wirklich sehr nett und alle waren wirklich freundlich und hilfsbereit. Es wurde alles erklärt und man wurde einfach akzeptiert. Es hat mir sehr gut gefallen. Es war eine coole Zeit!
Möchten Sie sonst noch etwas zur gemeinnützigen Arbeit oder Einsatzstelle sagen?
Ich möchte mich recht herzlich bei der Diakonie bedanken. Bei allen Leuten, die mich unterstützt haben, dass ich meine Sozialstunden ableisten konnte und auch bei Ihnen und der Fachstelle zur Vermeidung von Haft. Danke, dass Sie sich so super darum kümmern und sich auch wirklich bemühen, dass die Leute nicht in Haft kommen. Da muss ich Ihnen wirklich ein großes Dankeschön sagen.
Interview Sozialkaufhaus Brauchbar gGmbH zum 20-jährigen Jubiläum der AGV
Wie würde sich die Brauchbar vorstellen?
Die Brauchbar ist ein sozialer Beschäftigungsbetrieb, der 1997 vom Diakonischen Werk Würzburg e.V. und der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Würzburg gegründet wurde. Ziel war es zu dieser Zeit vor allem der hohen (Langzeit-)Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Die Brauchbar betreibt mittlerweile fünf Second-Hand-Geschäfte in Würzburg und Ochsenfurt. Sie beschäftigt rund 150 Personen. Man möchte gegen Langzeitarbeitslosigkeit kämpfen und jedem Menschen eine Chance geben. Der soziale Beschäftigungsbetrieb Brauchbar ermöglicht Menschen seit Beginn die Mitarbeit im Rahmen von Arbeitsmarkt- und Eingliederungsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden, wie zum Beispiel Jobcentern oder Arbeitsagenturen. Es besteht für leistungsgeminderte Personen die Chance auf Integration in den Arbeitsmarkt. Von den Sozialkaufhäusern können einkommensschwache Haushalte profitieren. Zudem wird durch die Weiterverwendung in der Region Abfall vermieden und Ressourcen geschont.
Geschichte Zusammenarbeit Brauchbar – AGS
Die Brauchbar arbeitete schon 1997 mit der Staatsanwaltschaft zusammen, um gemeinnützige Arbeitsstunden tilgen zu lassen. 2002 gründete der AGS e.V. die Vermittlungsstelle für gemeinnützige Arbeit und akquirierte die Brauchbar gleich zu Beginn als Einsatzstelle. Die Brauchbar war somit von Anfang an ein enger Kooperationspartner mit stets vertrauenswürdiger Zusammenarbeit. 70 – 80 Personen werden jedes Jahr im Rahmen der gemeinnützigen Arbeit an die Brauchbar vermittelt. Die Anzahl der Vermittlungen hat im Laufe der Jahre stark zugenommen und die Brauchbar wurde zur Einsatzstelle mit jährlich den meisten Klient:innen.
Der Weg durch die Brauchbar
Wie kommt die Person zur Brauchbar
Eine Person hat eine Geldstrafe, die nicht gezahlt werden kann und sitzt zur Beratung bei der AGS-Vermittlungsstelle. Die AGS meldet sich bei der Brauchbar und fragt an, ob Kapazitäten frei sind. Die Person erhält einen Ersttermin bei der Brauchbar, um den Arbeitseinsatz zu besprechen.
Teilweise fragen die Personen auch direkt bei der Brauchbar an, da sie dort z.B. durch eine Arbeitsmarktmaßnahme oder ein Praktikum bereits angebunden sind.
Was macht die Person für Arbeiten?
Im Erstgespräch werden die Vorstellungen und Möglichkeiten der Person abgefragt, um einen guten Rahmen zur Ableistung der gemeinnützigen Arbeitsstunden zu erarbeiten (Einsatzort/ -bereich, Arbeitszeiten…).
Es gibt ein breites Aufgabenportfolio und der Aufgabenbereich richtet sich nach der individuellen Leistungsfähigkeit der Person. Welche Erfahrungen wurden schon gemacht, frühere Arbeitstätigkeiten, Stärken der Personen…Es sind Arbeiten im Lager, Verkauf, Sortierung oder im Service-Team möglich. Es besteht auch die Möglichkeit für sitzende Tätigkeiten, beispielsweise in der Spielesortierung.
Am ersten Arbeitstag wird die Person von der sozialpädagogischen Fachkraft, die das Erstgespräch geführt hat, begleitet und an die zuständige Arbeitsanleitung übergeben. Beide Fachkräfte dienen der Person als feste Ansprechperson.
Welche Angebote gibt es neben der Ableistung (Beratung)
Sozialpädagogische Fachkraft vor Ort: Beratung und Unterstützung in sämtlichen Lebenssituationen, Vermittlung an Kooperationspartner (Schulden, Sucht)
Welche Möglichkeiten gibt es nach der gemeinnützigen Arbeit
Arbeitsmarktmaßnahmen/ -gelegenheiten über das Jobcenter, Wiedereingliederung in Arbeit und Gesellschaft, Zuverdienstprojekte, Festanstellung, gefördertes Arbeitsverhältnis, ehrenamtliche Tätigkeiten.
Personen kommen teilweise von sich aus oder über die Arbeitsvermittlung auf die Brauchbar zu, wenn eine weitere Beschäftigung nach den gemeinnützigen Arbeitsstunden angestrebt wird, da sie während der Ableistung Wertschätzung erfahren haben und Spaß hatten.
Welche Herausforderungen gibt es?
Die Personen stehen oft in schwierigen Lebenssituationen und haben gesundheitliche Beeinträchtigungen (z.B. Psyche, Sucht) oder verschiedene Leistungseinschränkungen. Vielen Menschen fehlt die Tagesstruktur, Schlüsselqualifikationen müssen oft erst erarbeitet werden. Es benötigt oft viel Geduld und Einfühlungsvermögen, um die Personen in der Ableistung der Arbeit zu unterstützen. Klare Rahmenbedingungen sind sehr hilfreich, da bei zu offenen Strukturen oft Überforderung bei den Personen eintritt.
Oft ist ein hoher Aufwand aller beteiligten Personen notwendig, um die gemeinnützige Arbeit erfolgreich zu beenden.
„Auftrag Beschäftigungsgeber“: Warum jeder eine Chance ohne Vorbehalte bekommt
Egal wer und warum jemand hier ist, gleiche Behandlung. Es wird jedem Vertrauen und Wertschätzung entgegengebracht, egal aus welchem Grund jemand bei der Brauchbar ist. Das Ziel ist die Entwicklung einer Veränderungsbereitschaft. Der Fokus liegt hier auf der Beziehungsarbeit durch einen engen Austausch während der Ableistung der gemeinnützigen Arbeitsstunden.
Die Geschichten der Personen sind oft sehr aussagekräftig. Es geht nicht um ein nicht wollen, sondern nicht können. Sie benötigen Unterstützung bei der Ableistung der gemeinnützigen Arbeitsstunden und dies möchte die Brauchbar ermöglichen und sieht auch stets die kleinen Erfolgserlebnisse.
Wahrnehmung von Veränderungen in der Arbeit und in der Gesellschaft
Problemlagen bei den Personen haben zugenommen und sind komplexer geworden. Früher war das Problem die Massenarbeitslosigkeit und es gab mehr finanzielle Mittel für Arbeitsmarktmaßnahmen. Jetzt haben wir wirtschaftlich gesehen eine Vollbeschäftigung und Personen ohne Arbeit sind meist auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht vermittelbar. Es braucht nicht nur Mittel für die Integration in den Arbeitsmarkt, sondern auch für dauerhaft geförderte Beschäftigungsmaßnahmen. Seit Corona und dem Ukrainekrieg scheint weniger Geld für soziale Projekte verfügbar zu sein. Das Geld fließt vermehrt in Rüstung und Verteidigung. Der Ton gegenüber dem Sozialstaat wird rauer.
Was wäre wünschenswert?
Es wäre wünschenswert, dass eine politische Einsicht über die schwierigen Situationen der Menschen mit denen wir zusammenarbeiten entsteht. Unabhängig von der wirtschaftlichen Lage wird es immer Personen geben, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht arbeiten können. Sie brauchen einen speziellen Rahmen und es ist wichtig, dass Maßnahmen zur Integration und Teilhabe aktiv gefördert werden. Jeder Mensch verdient immer wieder Chancen und eine gleiche Behandlung.
